Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge

Wie wäre es mit einem Schuss Selbstmitgefühl?

„Damit jemand echtes Mitgefühl für andere entwickeln kann,
muss man zuerst ein Fundament haben, auf dem man Mitgefühl kultivieren kann.
Dieses Fundament ist die Fähigkeit, sich mit den eigenen Gefühlen zu verbinden
und sich um sein eigenes Wohlergehen zu kümmern.
Fürsorge für andere bedarf Fürsorge für einen selbst.“

Dalai Lama
Selbstmitgefühl heißt, liebevoll mit sich selbst umzugehen…

Die Basis für Mitgefühl

Selbstmitgefühl und Selbstfürsorge haben nichts mit Egoismus zu tun! Selbstmitgefühl ist die Basis, um auch anderen mitfühlend zu begegnen.

Zunächst geht es darum, in uns selbst diese Kraft zu stärken. Im nächsten Schritt kann man Fürsorge und Mitgefühl auf andere ausdehnen. Erst wenn wir gut für uns selbst sorgen, können wir uns auch um andere Menschen kümmern.

Sich selbst (aus-)halten wie ein Kind

Selbstmitgefühl bedeutet, uns selbst mit ebenso viel Großzügigkeit und Respekt zu begegnen wie einem geliebten Menschen. Sich selbst zu halten wie ein Kind. Es beinhaltet auch, sich zu wehren und abzugrenzen und Nein! oder Stop! zu sagen. Selbstmitgefühl ist eine Begegnung mit sich selbst.

Empathischer Stress vs. Mitgefühl

Zu unterscheiden ist zwischen empathischem Stress und Mitgefühl. Ersteres meint: ich spüre, was du spürst und kann es nicht (aus)halten; Mitgefühl jedoch steht für: ich spüre, was du spürst, halte es aus und gebe Liebe dazu. Auf diese Weise kann ich gut für dich da sein.

Ein Gedankenexperiment zum Thema „Selbstmitgefühl“

Stell‘ dir vor, deine beste Freundin/ dein bester Freund wendet sich an dich mit den Worten: „Mir geht es nicht gut, ich habe ein Problem…“ – was wäre deine Reaktion?

Und nun stelle dir vor, du selbst hast ein Problem und richtest die gleichen Worte an dich selbst.
Wie reagierst du nun?

Dieses Experiment hat ergeben, dass 70-80% der Menschen mit sich selbst schlechter umgehen als mit anderen!
Warum eigentlich?

Sich selbst ein guter Freund sein…

Eine Lösungsmöglichkeit für mehr Selbstfürsorge

Die Lösung für dieses Dilemma liegt wiederum darin, das eigene Selbstmitgefühlmithilfe von Achtsamkeit zu kultivieren, indem wir

  1. Wahrnehmen, was ist: uns selbst (aus-)halten und wahrnehmen, was gerade passiert, was da ist und uns schmerzt. Diese Gedanken können wir kommen und auch wieder gehen lassen – wie Wellen, die an den Strand spülen und wieder ins Meer zurück gleiten.
  2. Annehmen, was ist: nicht durch Wegwerfen oder Verdrängen ist Veränderung möglich, sondern durchs Annehmen dessen, was ist – dadurch lerne ich mich auf eine freundliche Art und Weise kennen und habe so die Möglichkeit, den Schmerz zu integrieren – und durch diese Ganzwerdung kann Heilung stattfinden…

Es geht darum, sich selbst zu halten wie ein Kind, das eine Verletzung hat: „Ich tröste dich, weil es weh tut. Nicht, damit es vorbei geht.“ 

Meditation ist eine von mehreren Methoden, die „Muskeln“ aufzubauen, um sich selbst auszuhalten.

Selbstkritik und Selbsthass überwinden

Es gilt also, Selbstkritik und Selbsthass zu überwinden. Dies kann ungewohnt für uns sein, denn aufgrund gewisser Prägungen fällt es uns häufig schwer, genauso liebevoll mit uns selbst umzugehen wie mit uns nahe stehenden Menschen.
Durch Erziehung und gesellschaftliche Konventionen sind wir es gewöhnt, bei Schwierigkeiten selbstkritisch zu sein, uns zu verurteilen und somit destruktive Gefühle zu verstärken.

Förderlicher ist es jedoch, sich so fürsorglich um sich selbst zu kümmern wie um eine geliebte Person, so der klinische Psychologe Dr. Chris Germer aus Cambridge[1]. Studien bestätigen, dass erhöhtes Selbstmitgefühl förderlich für unser psychisches und körperliches Wohlbefinden ist und unsere Widerstandskraft (Resilienz) erhöht.

Wir können lernen, mit Leid und Schmerz auf gesündere Weise umzugehen, statt unangenehmen Gefühlen mit erbittertem Widerstand zu begegnen.
Außerdem dürfen wir erkennen, dass es auch anderen Menschen so geht – es ist menschlich, so zu empfinden.
Wir können uns selbst fragen, was wir in einer gewissen Situation brauchen und was wir einem geliebten Menschen in derselben Situation sagen würden.

Sich selbst in den Arm nehmen

Eine weitere Möglichkeit für mehr Mitgefühl mit sich selbst ist, sich selbst in den Arm zu nehmen. Wenn es einem nahe stehenden Menschen schlecht geht, machen wir das automatisch, um ihn zu trösten. Das Gleiche können wir auch für uns tun. Verschränke deine Arme und drücke dich. Oder lege deine Hand auf den Brustbereich – in die Herzgegend – und spüre die Wärme. Schenke dir selbst ein inneres Lächeln. Der Körper reagiert darauf, indem er beruhigende Hormone ausschüttet.

Übungen dieser Art oder auch die sogenannte Metta-Meditation („Metta“: aus dem Sanskrit: „Liebende Güte“) vermittle ich auch immer wieder gerne in meinen Workshops – falls du ebenfalls Teil davon sein möchtest, melde dich gerne bei mir! 😊

Dr. Kristin Neff, Forschungspsychologin an der University of Texas at Austin, entwickelte gemeinsam mit dem bereits genannten Dr. Chris Germer ein achtsamkeitsbasiertes Trainingsprogramm für Selbstmitgefühl: Mindful Self-Compassion (MSC).
Studien belegen, dass dessen Teilnehmer unter weniger Angst, Depression und Stress litten, mehr Widerstandsfähigkeit bei Belastung und Niederlagen und mehr Zuversicht, Weisheit und Lebenszufriedenheit erleben sowie eine gesündere Lebensweise pflegten. Zudem wurden sie von ihren Partnern als kompromissbereiter, konfliktfähiger und empathischer beschrieben.

Selbstmitgefühl macht also nicht egoistisch, sondern hilft dabei, Verantwortung für eigene unerfüllte Bedürfnisse zu übernehmen. Es schafft somit mehr Möglichkeit, um für sich selbst und andere auf authentische und nachhaltige Weise da zu sein.

Viele gute Gründe, um etwas selbstfürsorglicher mit sich umzugehen… 😊

Selbstmitgefühl: was könnte ich mir Gutes tun?

 

“Your relationship with yourself sets the tone for every other relationship you have.”

Robert Holden, britischer Psychologe, Autor und Rundfunksprecher

 


[1] Christoper Germer, Der achtsame Weg zum Selbstmitgefühl. Wie man sich von destruktiven Gedanken und Gefühlen befreit, Arbor Verlag

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